Ungarische Schüler in Grän:


Die Ungarische Revolution 1956

Am 23. Oktober 1956 entwickelte sich aus den Studentenprotesten in Budapest ein landesweiter Volksaufstand gegen das kommunistische Regime Stalins. Der Volksaufstand von 1956 dauerte bis zum 4. November an, als der Aufstand gewaltsam von sowjetischen Truppen niedergeschlagen wurde.

Etwa 200.000 Flüchtlinge mussten in Folge ihre Heimat verlassen und suchten im benachbarten Österreich Hilfe, Unterkunft und Bildung.


Am 22. Jänner 1957 wurde in Wien von den Vereinten Nationen eine Sitzung für die Bildung von ungarischen Mittelschulen in Österreich einberufen. Das Augenmerk war auf folgende Schulen, die durch Frankreich, Holland und Norwegen unterstützt wurden, gerichtet:

 

* Grän bei Reutte in Tirol – von Frankreich gemietet, 88 Schüler

* Hotel Wiesenhof, Gnadenwald in Tirol – von Norwegen gekauft, 112 Schüler

* Iselsberg, von Holland unterstützt, 168 Schüler

* Kammer am Attersee in Oberösterreich, 167 Schüler

* Innsbruck, 211 Schüler

Die Schulen wurden als Privatschulen eingerichtet und geführt, der Dachverband war in Innsbruck. Grän, Wiesenhof und Kammer waren nur provisorische Notlösungen und nur bis Ende des Schuljahres 1957/58 in Betrieb. Insgesamt legten zwischen 1957-1963 865 Ungarische Schüler(innen) in Österreich ihre Matura ab - in Grän waren es 36.


V e r z e i c h n i s   d e r   M a t u r a n t e n   i n   G r ä n :




 











Die Mittelschulen Innsbruck und Iselsberg wurden 8-klassig geführt – in Grän, Wiesenhof und Kammer gab es nur Oberstufen. Die meisten der SchülerInnen kamen ohne Eltern nach Österreich. Sie bekamen ein monatliches Taschengeld von ca.20,-- Schilling, sowie Essen, Kleidung und Schulzeug – was für den Staat eine enorme finanzielle Belastung darstellte.


1. ÁCS József,

2. ALBERT Árpád,

3. BARASITS László,

4. BARÁTH István,

5. BEKŐ József,

6. BENCSICS Miklós,

7. CSONGOR Csaba,

8. DEÁK István,

9. ERKEL András,

10. FÁBIÁN László,

11. FODOR József,

12. HALÁSZ Lajos,

13. HORVÁTH István,

14. HUNYADY Péter,

15. KANZSÓ György,

16. KISS András,

17. G. KISS Sándor,

18. KOCSIS Mária,

19. KOLLÁR Gyula,

20. KÖRNYEFALVI Ottó,

21. MAGYAR Zoltán,

22. MORVAY Tamás,

23. NEMES Ferenc,

24. NÉMETH Ferenc,

25. NÉMETH László,

26. OSSKÓ Endre,

27. PÁLFI Görgy,

28. PÉTERFALVI András,

29. REICH Waldemar,

30. SÁROY Kálmán,

31. SZIGETI Ferenc,

32. URBÁN Albert,

33. VARGA Gyula,

34. VARGA Pál,

35. VEBER Ferenc,

36. ZICHY Aladár

 Als Direktor in Grän wurde der katholische Priester Endre Lakos eingesetzt. Er selbst hatte die Mittelschule in Österreich besucht und vor dem Zweiten Weltkrieg an der Militärakademie in Budapest Deutsch unterrichtet. Die allgemeine Lage in Grän beschreibt er: „Abgesehen von den täglichen, unvermeidlichen Schwierigkeiten arbeitet hier eine einheitliche,zusammengeschmiedete Mannschaft, die es sich zum Ziel gesetzt hat, für die Kinder nicht nur eine Schule, sondern auch ein Heim zu schaffen. Wir sind eine Familie und sind um eine heimische, familiäre Atmosphäre bemüht.“

Als sichtbares Zeichen wurde im Ortsfriedhof ein sogenanntes 56er Kreuz mit zweisprachiger Inschrift „ZUR EHRE DER FÜR DIE FREIHEIT UNGARNS GESTORBENEN HELDEN“ errichtet.

 

Von den Schülern in Grän kamen 29 (31,87%) aus Budapest. Die überwiegende Mehrheit kam aus dem westlichen Ungarn. Der älteste Schüler war 25, der jüngste 15 Jahre alt, aber der Geburtsjahrgang 1939 stellte mit 34 Schülern schon knapp 35% der Gesamtzahl; zusammen mit den Jahrgänge 1938 und 1940 waren es insgesamt 74 Schüler und damit ca. 80%.


Arpad Romhányi (Vorsitz Maturaprüfungen) fasste zusammen:

Die Schüler waren in ihrer ländlichen Abgeschlossenheit ständig unter sich, und es fehlte fast

jeder Verkehr mit der einheimischen Bevölkerung. Dies zeigte sich nicht nur in ihren mangelnden Deutsch-Sprachkenntnissen, sondern auch in der Schwerfälligkeit in der Anpassung an die westliche Welt und der Erweiterung ihres Gesichtskreises. Auf der anderen Seite wurden die Schüler dadurch zu fleißiger Arbeit angespornt und zu einer tatsächlichen kameradschaftlichen Einheit zusammengeschmiedet. Verglichen mit den anderen ungarischen Mittelschulen arbeiteten die Gräner unter den schwierigsten Verhältnissen. Die ersten Monate des Bestehens der Schule waren mit Not und Sorgen erfüllt, sowohl für die Schüler wie für die Professoren, und es war dem Verdienst und der aufopfernden und begeisterten Arbeit des Direktors zu verdanken, dass der Geist und das Wissen der Abiturienten so hoch standen.

 

Diesbezüglich verwies auch Dr. Inama-Sternegg auf die ungünstige geographische Lage der Schule in Grän. Lakos erwähnt noch rückblickend, die Schule habe keinen Turnsaal gehabt, so konnten im Winter wetterbedingt keine Turnstunden abgehalten werden. Dafür ordnete der Direktor monatlich einen obligatorischen Wandertag an und sogar Skikurse standen auf dem Programm.

 

Jubiläumstreffen 2007

Fotos von 1957 und 2007

Zum 50er Jubiläum gab es ein Wiedersehen und eine Gedenktafel


22 der 36 ehemaligen Maturanten trafen sich am 7.7.2007 in Grän in ihrer alten Schule.

Nach einem in ungarischer Sprache abgehaltenen Gottesdienst und einem gemeinsamen Essen wurde die Gedenktafel an der Volksschule enthüllt: „Zur Erinnerung an das „Ungarische Gymnasium“ in Grän, 1956-1957 in Dankbarkeit für die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung von Grän und Tirol, gewidmet von den ehemaligen Schülern des Gymnasiums, am 50.Jahrestag ihrer Reifeprüfung.“ Josef Bekö, ehemaliger Schüler, bedankte sich bei den Gränern für die Gastfreundschaft und großartige Hilfe damals.

Die Erfahrungen eines ehemaligen Ungarnflüchtlings


„Nach Niederschlagung der Revolution in Ungarn floh ich mit einem Freund am 21. November 1956 nach Österreich. Wir waren in unserem 18. Lebensjahr und kurz vor der Matura. Spätabends passierten wir die Grenze bei Nickelsdorf. Im Ort wurden wir freundlich empfangen und registriert. Am nächsten Tag überstellte man uns ins Flüchtlingslager Eisenstadt. Hier waren wir sehr gut untergebracht, und konnten in Ruhe entscheiden, ob wir in Österreich bleiben oder auswandern wollten. Unsere Entscheidung fiel gleich, als wir erfuhren, dass in Österreich bald ungarische Mittelschulen für die Flüchtlingsschüler eröffnet werden, wo wir maturieren könnten. Gleich meldeten wir uns mit 19 anderen Schülern an. Bis zur Eröffnung der Schule hat uns das Stift Seitenstetten aufgenommen. Hier haben wir von Seiten der Schüler des Stiftsgymnasiums große Herzlichkeit erfahren. Sie waren über unsere Revolution und deren trauriges Ende sehr gut informiert. Mitte Dezember wurde die Ungarische Mittelschule in Grän, Tirol, eröffnet. Grän hatte 110 Einwohner, und wir in der Schule waren gleich so viel. Wir maturierten in dieser Schule Anfang Juli 1957.“


DI LÁSZLÓ FÁBIÁN, ehem. Ungarnflüchtling     Aus: Katholische Kirche Oberösterreich, Nr.157, 12/2015

85. Geburtstag im Oktober 2023:


Der rüstige Jubilar gilt als profunder Experte in Geschichte, Kultur und Sprache der Burgenlandkroaten.

Am 12. Oktober 1938 in Ungarn geboren floh Nikola Bencsics 1956 nach Österreich ins tirolerische Grän, wo er auch maturierte. Nach dem Studium der Slawistik und Geschichte in Wien lehrte er am Gymnasium Wolfgarten sowie an der PH in Eisenstadt, später dann auch an der Universität Wien.

Der Pädagoge machte sich aber auch als Historiker, Sprachwissenschaftler und Publizist einenNamen, in seinem Fokus: das Burgenlandkroatische. Als Autor zahlreicher Bücher und Artikel war der heute in Eisenstadt lebende Vater zweier Söhne etwa an der Veröffentlichungdes Burgenlandkroatischen Wörterbuchs und einer Grammatik der burgenlandkroatischen Sprache beteiligt. Außerdem zählt er zu den Mit-Verfassern der Geschichte der Burgenland-Kroaten, eines Standardwerks aus dem Jahr 2018.